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Gedanken zur Trinkwasserinitiative und Pestizidinitiative

Am 13. Juni stimmen wir über zwei vermeintlich harmlose Initiativen ab. Wer ist schon gegen sauberes Trinkwasser und wer findet die «bösen Pestizide» nicht schlecht? Erst beim genaueren hinschauen fällt auf, dass die Titel irreführend und die Initiativen extrem sind. Weshalb?

Die Trinkwasserinitiative suggeriert bei Annahme sauberes Trinkwasser. Dabei haben wir schon weltweit eine der besten Trinkwasserqualitäten und können bedenkenlos Wasser ab jedem Leitungsnetz trinken. Waren sie schon einmal im Ausland und haben Sie das dort auch gemacht? Man erinnere sich an das mediale Theater im letzten Sommer betreffend mit Chlorothalonilmetaboliten belastetes Trinkwasser. Tatsache ist, dass die Abbauprodukte von Chlorothalonil zwischenzeitlich als «möglicherweise krebserregend» eingestuft wurden. In dieselbe Kategorie fallen auch Schreiner- oder Schichtarbeit. Oder eingelegtes Gemüse. Und man hätte pro Tag fast 10’000 Liter Wasser konsumieren müssen, um gesichert negative Effekte auf seine Gesundheit zu erzielen. Und trotzdem wollte uns die auf Presse weissmachen, die Welt sei gerade am untergehen.

Die Trinkwasserinitiative will, dass zukünftig keine Direktzahlungen für den prophylaktischen Antibiotikaeinsatz mehr bezahlt werden. Der prophylaktische Einsatz von Antibiotika bei Nutztieren ist in der Schweiz längstens verboten. Auch deshalb hat sich die eingesetzte Menge an Antibiotika in der Nutztierhaltung in den letzten 10 Jahren um mehr als die Hälfte reduziert. Wenn Sie einmal importiertes Fleisch kaufen, dann können Sie auf der Packung den schönen Satz «kann mit Hormonen oder Leistungsförderern erzeugt sein». Das sind z.B. auch prophylaktisch verabreichte Antibiotika, welche im Ausland im grossen Stil eingesetzt werden.

Die Trinkwasserinitiative will, dass zukünftig nur noch Direktzahlungen an diejenigen Landwirte ausbezahlt werden, die ohne Pestizide wirtschaften. Davon betroffen wären schätzungsweise rund 98% der Aargauer Landwirtschaftsbetriebe inklusive der meisten BIO Betriebe. Denn auch diese müssen zum Schutz ihrer Kulturen Pflanzenschutzmittel einsetzen. Auch deshalb haben alle namhaften Branchenverbände inklusive BIO Suisse die Nein Parole zur Trinkwasserinitiative beschlossen.

Weiter sollen von Direktzahlungen diejenigen Betriebe ausgeschlossen werden, die ihre Tiere nicht mit Futter vom eigenen Betrieb füttern könnten. Das würde sogar dazu führen, dass bei Futtermittelknappheit (z.B. bei Sommerdürre) die Kühe geschlachtet werden müssten, weil man bei Futtermangel nicht mehr vom Nachbarbetrieb Futter zukaufen dürfte.

Folgen bei Annahme der Initiative:
Intensiv wirtschaftende Betriebe wie Gemüsebaubetriebe, die heute schon nicht von den Direktzahlungen abhängig sind, würden aus den Direktzahlungen aussteigen und ihre Produktion intensivieren (heute legen auch diese Betriebe ökologische Ausgleichsflächen an). Dadurch steigt die Umweltbelastung. Die anderen Betriebe würden wohl versuchen, die neuen Bestimmungen umzusetzen, was gemäss der staatlichen Forschungsanstalt Agroscope dazu führen wird, dass die inländische Nahrungsmittelproduktion um bis zu 40% sinken wird. Die dann fehlenden Lebensmittel würden wohl aus dem Ausland zugekarrt. Glauben Sie, dass im Ausland die höheren Produktionsstandards eingehalten werden als dies bereits heute in der Schweiz der Fall ist? Immerhin haben wir das strengste Tierschutzgesetz weltweit und wenn ich mit ausländischen Gemüseproduzenten spreche, staune ich jeweils welche Pflanzenschutzmittel nur schon in Deutschland noch zugelassen sind, welche bei uns schon vor Jahren aufgrund neuer Erkenntnisse über deren Umweltbelastung die Zulassung verloren haben.

Tatsache ist, dass wir alle durch unser Leben und unseren Konsum die Umwelt belasten. Je mehr Menschen, desto grösser ist die Umweltbelastung. Ratsam wäre es, gemeinsam nach noch besseren Lösungen zu suchen und nicht auf einer Branche herumzuhacken, die gemessen am Rhein für weniger als 1% der Gewässerbelastung verantwortlich ist (rund 65% der Belastung rührt von Industrie- und Haushaltchemikalien her, je rund 20% von Arzneimitteln und künstlichen Lebensmittelzusätzen).

Die Landwirtschaft sucht nach Lösungen. Sie hat den Pestizideinsatz in den vergangenen Jahren bereits massiv gesenkt. Vor wenigen Tagen hat das nationale Parlament zudem, basierend auf der durch die Landwirtschaft ausgearbeiteten Branchenlösung «Absenkpfad Pflanzenschutz» das wohl strengste Pestizidgesetz weltweit beschlossen. Dies mit dem Ziel, die vom Pflanzenschutz ausgehenden Risiken in den kommenden Jahren um weitere 50% zu reduzieren.
Gleichzeitig ist nur ein kleiner Teil der Konsumenten bereit, mehr für «ökologisch» produzierte Nahrungsmittel zu bezahlen. So stagniert der Absatz an BIO Produkten bei rund 10%, Tendenz leicht steigend. Der Marktzuwachs verläuft sehr schleppend. Solange die Nachfrage nicht da ist, kann seitens Landwirtschaft auch nicht «am Markt vorbei» produziert werden.

Sie haben es in der Hand. Mit ihrem Einkaufsverhalten können Sie die Ausrichtung der Nahrungsmittelproduktion in der Schweiz direkt steuern, indem sie mehr für noch nachhaltiger produzierte Lebensmittel bezahlen. An der Urne aber JA zu stimmen um «etwas Gutes für die Umwelt zu tun» und an der Ladentheke das Billigste zu kaufen, das ist moderner Ablasshandel. Und dieser war schon vor über 1000 Jahren scheinheilig.

Die Pestizidinitiative will, dass der Einsatz synthetischer Pflanzenschutzmittel in der Schweiz und bei importierten Nahrungsmitteln verboten werden. Das ist gleichbedeutend mit einem «BIO Land Schweiz». Die biologische Landwirtschaft bringt tiefere Erträge, ist sehr arbeitsintensiv und bei gewissen Kulturen mit hohen Ausfallrisiken verbunden. Diese Mehrkosten widerspiegeln sich im höheren Ladenverkaufspreis dieser Produkte. Als Konsument hätten Sie keine Wahlfreiheit mehr, sondern müssten in der Schweiz pflanzliche Produkte in «BIO Qualität» zum entsprechend höheren Preis kaufen und das nicht nur im Einkaufsladen, sondern auch im Restaurant. Nur noch Gutbetuchte könnten sich so einen ausgewogenen Speiseplan leisten. Viele würden dadurch in den Einkaufstourismus getrieben.

Chemische Pestizide werden auch in der Lebensmittelindustrie zur Schädlingsbekämpfung und als Reinigungs- und Desinfektionsmittel eingesetzt. Maschinen in der Nahrungsmittelproduktion könnten nicht mehr sachgerecht gereinigt werden und die Lebensmittelsicherheit wäre nicht mehr gewährleistet. Foodwaste würde durch kürzere Haltbarkeiten massiv zunehmen. Die Lebensmittelindustrie müsste ihre Produktion ins Ausland verlagern, was gemeinsam mit dem gesteigerten Einkaufstourismus zum Abbau von Stellen im Detailhandel und der Lebensmittelindustrie führen würde. Davon wären alleine im Kanton Aargau schätzungsweise 15’000 Stellen betroffen.

Beide Initiativen fokussieren einseitig auf die Landwirtschaft und die Lebensmittelindustrie. Beide Initiativen sind extrem und kontraproduktiv. Sie sind zwar gut gemeint, aber alles andere als gut.

Stimmen wir deshalb 2 x NEIN zur Importförderungs- und zur Hungerinitiative! Es gibt sinnvollere Wege zur Reduktion der vom Pflanzenschutz ausgehenden Risiken, die von der Branche bereits begangen werden. Sie als Konsument haben zudem die Wahlfreiheit. Sie können an der Ladentheke tagtäglich wählen, welche Landwirtschaft Sie wollen.

Christoph Hagenbuch, Grossrat SVP, Präsident Bauernverband Aargau

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